Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt aufhorchen. Das Gericht entschied, dass mehrjährig angehäufte Überstunden bei einer späteren Auszahlung auf einen Schlag mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind.
Viele Arbeitnehmer häufen Überstunden an. Da oftmals nicht entschieden wird, ob sie ausgezahlt oder in Form von Freizeit vergütet werden sollen, bleiben die Stunden nicht selten über Jahre ungenutzt als Arbeitszeitguthaben stehen. Kommt es später zur Auszahlung der Überstunden, ist der Ärger groß, wenn die geballte Vergütung den eigenen Steuersatz stark nach oben katapultiert. Durch die hohen Abzüge bleibt vom Überstundenlohn nicht mehr viel übrig.
Genauso erging es einem Arbeitnehmer, der über einen Zeitraum von drei Jahren 330 Überstunden geleistet hatte, die erstmal nicht vergütet wurden. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet wurde, zahlte der Arbeitgeber im vierten Jahr die gesamten Überstunden in einer Summe aus. Das zuständige Finanzamt wandte auf diese Überstundenvergütung den normalen Einkommensteuertarif an. Da sich die Einkommensteuer progressiv mit steigendem Einkommen erhöht, kam es aufgrund der geballten Zahlung im vierten Jahr zu einer hohen Besteuerung. Der Angestellte wollte das nicht hinnehmen und klagte dagegen.
Fünftel-Regelung gilt auch für Überstunden
Die Lohnsteuerhilfe Bayern e.V. verweist darauf, dass der Gesetzgeber bei einer Auszahlung von außerordentlichen Einkünften eine Regelung im Einkommensteuergesetz geschaffen hat, die den ungewollten Progressionseffekt im Einkommensteuertarif mildert. Dies sei zum Beispiel bei der Vergütung von mehrjährigen Tätigkeiten der Fall. Diese Einkünfte werden bei der Berechnung der Steuer rein rechnerisch auf fünf Jahre verteilt und dementsprechend niedriger besteuert.
In seinem Urteil folgte der Bundesgerichtshof (BFH) dem Antrag des Klägers und bestätigte, dass der steuerliche Sondertarif der Fünftel-Regelung auf Überstunden übertragbar ist, da die gesetzliche Bedingung in diesem Fall erfüllt ist. Die Vergütung der über einen langen Zeitraum geleisteten Überstunden sei als mehrjährig einzustufen, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet wurde.
Gestaltungsmissbrauch muss ausgeschlossen werden
In ihrer Urteilsbegründung wiesen die höchsten Finanzrichter neben der Mehrjährigkeit auf die Zweckbestimmung der Vergütung hin, welche bei den Überstunden gegeben sei. Des Weiteren betonten sie, dass es für die Zusammenballung der Vergütung vernünftige wirtschaftliche Gründe geben müsse. Diese sahen die Richter als gegeben an, da der Lohnnachzahlung für vorangegangene Zeiträume die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vorausgegangen war. Dieser Aspekt habe den Aspekt des Missbrauchs der Steuerermäßigung durch Absprache zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgeschlossen. Die Lohnsteuerhilfe Bayern empfiehlt Steuerpflichtigen in ähnlichen Fällen, die angefallenen Überstunden zu dokumentieren und eine nachvollziehbare Begründung für die spätere Auszahlung in einer Summe gegenüber dem Finanzamt anzuführen.